Digitalisierung in der Migrationsarbeit – kann das gut gehen?

Digitalisierung in der Migrationsarbeit – kann das gut gehen?

Eine größere Veranstaltung im notorischen Krankheitsmonat Oktober zu planen, zudem noch in den Herbstferien, sorgt von Anfang an für eine gehörige Portion Anspannung. Doch die großen, ausfallbedingten Krisen blieben aus, und im Ganzen hätte es wirklich kaum besser laufen können! Die Inputs waren spannend, die Diskussionen rege und das Essen – Eckpfeiler jeder Veranstaltung – wurde vielfach gelobt. Im Mittelpunkt stand ein Thema, das in der Migrationsarbeit zunehmend an Bedeutung gewinnt: Digitalisierung und ihre Potenziale für die Arbeitsmarktintegration.

Rund sechzig Fachkräfte aus Arbeitsverwaltung, kommunaler Migrationsverwaltung, Landesministerium und vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen aus ganz Sachsen-Anhalt sind am 16. Oktober ins historische Stadthaus in Halle gekommen, um – naja – fast ganz analog über die Bedeutung digitaler Anwendungen für ihre Arbeit zu sprechen. Es gab Vorträge, Workshops und schließlich eine gemeinsame Ergebnissicherung im Plenum. Zum Schluss, nach mehr als fünf Stunden, waren wir alle sichtlich erschöpft. Die Köpfe brummten. Als wir uns verabschiedeten, sagte mir der Integrationsbeauftragte der Stadt Halle, Robert Schönrok, dass er mit mehr Anregungen und Aufgaben nach Hause gehe, als ihm lieb sei.

Diese Erfahrung haben wir vom Projekt DABEI, aber wohl sicherlich auch viele andere ebenso gemacht. Und sie knüpft auch an die Gründe an, weswegen wir die Veranstaltung überhaupt organisiert haben. An digitalen Instrumenten kommen wir heute kaum noch vorbei. Im Grunde benutzen wir sie alle sowieso, auch im Berufsleben. Und gerade in der Migrationsarbeit spielen sie eine immer größere Rolle. Vor allem drei Bereiche machten wir aus, die uns als besonders relevant erschienen: Blended Counseling, Künstliche Intelligenz und Social Media. Für die Ansprache und Kommunikation mit Klientinnen, bei der Recherche sowie bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen verwenden unsere Jobcoaches Messenger-Dienste, Telegram-Gruppen, soziale Netzwerke und Künstliche Intelligenz. Aber auch die Klientinnen nutzen dieselben Applikationen, um sich Orientierungswissen anzueignen und handlungsfähig zu werden. Dabei findet die Anwendung in der Tiefe oftmals blauäugig, unbedarft und ohne eingehende Auseinandersetzung mit den Implikationen, Risiken und Möglichkeiten statt. Und genau darauf zielte die Veranstaltung ab: eine gemeinsame, fundierte Reflexion mit Expert*innen. Dass wir am Ende mit vielen neuen Fragen – und auch Aufgaben – nach Hause gingen, war daher kaum überraschend.
        
Auf fachlich hohem Niveau führten uns Tobias Stapf (La Red – Vernetzung und Integration e.V.) zum Thema Künstliche Intelligenz, Larissa Zier (WelcomeCenter Sachsen-Anhalt) und Clemens Kellner (Zukunftszentrum Digitale Arbeit Sachsen-Anhalt) zum Thema Blended Counseling sowie Markel Anasagasti Intxausti (Minor – Projektkontor für Bildung und Forschung) zum Thema Social Media durch den Tag. Der Schwerpunkt lag auf der Arbeitsmarktintegration von Zugewanderten. Mit einem kleinen Co-Referat zeigte Robert Schönrok bereits in seinem Grußwort die großen thematischen Linien: Niedrigschwelligkeit und Exklusion, Orientierung und Desinformation, Kommunikation und Vertraulichkeit. In diesen Spannungsfeldern sollten wir uns in den folgenden Stunden intensiv bewegen.
Auf den ersten Blick wirkt von den drei Themen vor allem die Künstliche Intelligenz als völlig neues, unbekanntes Terrain, auf dem wir uns alle erst orientieren müssen. Der Eindruck ist allerdings trügerisch: Zwar werden Social Media und Blended Counseling schon länger in der hybriden Beratungspraxis erprobt, doch auch hier zeigt sich: Der Lernprozess ist längst nicht abgeschlossen.

Markel Anasagasti Intxausti gab in seinem Vortrag und dem anschließenden Workshop Einblicke in die Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Projekt Social Media Bridge. Auf Plattformen wie Facebook, Instagram, YouTube und in Messenger-Diensten wie Telegram bietet das Projekt niedrigschwellige und DSGVO-konforme Verweisberatung an und begegnet gezielt Falschinformationen. Das mittlerweile ausgereifte methodische Instrumentarium des Digital-Streetwork-Ansatzes machte Markel Intxausti im Workshop konkret greifbar, indem zunächst die unterschiedlichen Nutzungsweisen verschiedener Social-Media-Plattformen vorgestellt wurden – etwa die Aktivität in Facebook-Gruppen und Kommentarspalten, Infobeiträge auf Instagram oder die direkte Interaktion in Telegram-Gruppen. Anschließend richtete sich der Blick auf die jeweiligen Zielgruppen: So beeinflussen soziodemografische Merkmale wie Alter, Muttersprache oder Lebenssituation maßgeblich, welche Plattformen auf welche Weise genutzt werden. In Kleingruppen wurde daraufhin eine fiktive Persona erstellt und ein passender Social-Media-Beitrag zur Beratung entworfen. Anhand möglicher Fragen wurde geübt, wie eine individuelle und zielgruppengerechte Ansprache im digitalen Raum gelingen kann – immer mit dem Bewusstsein, dass dafür die kontinuierliche Beobachtung von Trends, Themen und Veränderungen in der Nutzung sozialer Medien unerlässlich ist.

Larissa Zier (WelcomeCenter Sachsen-Anhalt) und Clemens Kellner (Zukunftszentrum Digitale Arbeit Sachsen-Anhalt) widmeten sich dem Thema Blended Counseling. Während die Praxis der Verbindung von digitaler und analoger Beratung vielen Teilnehmenden längst vertraut war, war der Begriff selbst – und seine konzeptionelle Einordnung – für viele noch neu. Im anschließenden Workshop wurden diese Aspekte interaktiv vertieft: Besonders wertvoll war der Austausch zwischen Fachkräften aus Jobcentern und der sozialen Migrationsarbeit über ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Herausforderungen – während Jobcenter fast ausschließlich persönlich beraten, nutzen andere Stellen digitale Formate wie Skype, Live-Chats oder Messenger-Dienste. Gerade die Nutzung von WhatsApp wurde intensiv diskutiert: Viele nutzen die App mit großem Bauchschmerz, fragen sich aber zugleich, wie man davon wegkommen kann, ohne neue Barrieren zu schaffen. Zum Abschluss entwarfen die Teilnehmenden in einer kreativen Übung ihre „Traum-Beratungsstelle“, die sie anschließend im Plenum vorstellten.

Tobias Stapf zeigte anhand von Studien, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in beruflichen Kontexten zwar zunimmt, sich aber längst nicht überall durchgesetzt hat. Die Migrationsarbeit sei hier eine Art Avantgarde, meinte er mit einem Lächeln, denn KI werde bei uns bereits sehr vielfältig genutzt. Im Workshop wurde es für die Avantgarde dann praktisch: Gemeinsam wurde überlegt, wie KI im Alltag unterstützen kann – etwa beim Spracherwerb oder der Erstellung von Bewerbungsunterlagen – und wie sich dabei vermeiden lässt, dass eigene Kompetenzen oder Selbstbewusstsein verloren gehen. Außerdem warf Herr Stapf noch einen spannenden Blick in die mögliche Zukunft der Migrationsarbeit und stellte „Lateris“ vor – den bisher noch nicht öffentlich zugänglichen Prototyp einer KI-gestützten Programmsuite von Minor – Digital, die den gesamten Beratungsprozess für Zugewanderte unterstützen soll. Die Anwendung baut auf Datensätzen aus früheren und aktuellen Projekten auf und wird von Volljuristinnen fachlich begleitet.

Wie schon gesagt – danach brummten die Köpfe. Jede Menge Anregungen, viele neue Ansätze und genug Denkstoff, zweifellos, um die eigene Praxis an der ein oder anderen Stelle zu hinterfragen. Kurz gesagt: Inspiration, die wohl oder übel noch etwas Arbeit nach sich zieht.

photos: Helena Klatte

Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und überlegen Sie, welchem Kind aus Ihrem Arbeitskontext es guttun würde, Affirmationen zu üben. Schauen Sie sich dann das Affirmationskartenset des Projekts Vor-Sprung in Ruhe an und wählen Sie eine Karte aus, die zu diesem Kind passt. Überlegen Sie, wie Sie diese Karte nutzen können, um mit dem Kind zusammenzuarbeiten. Nutzen Sie dazu wieder Ihren bereitgelegten Stift und Papier

 

Das Kind, an das ich denke, ist immer sehr bemüht, keine Fehler zu machen. Wenn es mal einen Fehler macht, ist die Reaktion sehr stark. Oft reagiert das Kind mit großer Wut, die es gegen sich selbst und manchmal auch gegen andere richtet.

Nehmen Sie sich gerne einen Moment Zeit und schauen Sie sich das Affirmationskartenset des Projekts Vor-Sprung in Ruhe an.

Wählen Sie dann eine Karte aus, die zu diesem Kind passt. Überlegen Sie sich, wie Sie diese Karte nutzen können, um mit dem Kind zusammenzuarbeiten. Nutzen Sie dazu wieder Ihren bereitgelegten Stift und Papier.

Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und beantworten Sie zu der von Ihnen gewählten Affirmation folgende Fragen. Nutzen Sie dazu gerne Ihren bereitgelegten Stift und Papier.

➡️ Welche Affirmation haben Sie ausgewählt?

➡️ Was für ein Gefühl löst die ausgewählte Affirmation in Ihnen aus?

➡️ Welcher negative Glaubenssatz könnte hinter dieser Affirmation stecken? Bzw. wie könnten Sie die ausgewählte Affirmation ins Negative umformulieren?

➡️ Können Sie sich erinnern, woher dieser negative Glaubenssatz kommt? Von Ihren Eltern? Aus der Schule?

➡️ Wo schränkt Sie dieser negative Glaubenssatz ein? Wo macht er Ihnen das Leben schwer oder hindert Sie daran etwas zu tun?